Pötenitz
Ein nationalsozialistisches Geheimprojekt als Nationales Naturerbe? - Der Fall Pötenitz.
Pötenitz ist heute ein Ortsteil der Stadt Dassow in Mecklenburg-Vorpommern. Die Ostsee ist nur wenige Kilometer entfernt wie auch die Grenze nach Schleswig-Holstein. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde hier von Hermann Görings Luftwaffe ein Geheimprojekt installiert. Mitte 1936 entstanden auf etwa 53 ha in rascher Folge 50 Gebäude. Dazu gehörten z.B. 6 Hangars, Bunker, Schießstände, eine Flugzeugwerft, Anlagen gegen die Flugzeugangriffe und ein Anlegesteg, der 275 Meter lang war. An ihm konnten mit einem Bergungskran Wasserflugzeuge aus dem Wasser geholt werden.
Das Areal erhielt die Bezeichnung „2XI/See Travemünde-Pötenitz“ als Tarnname. Kein Außenstehender sollte erkennen, dass hier die Luftwaffe Herman Görings die eigene Waffenproduktion mit privaten Konzernen koordinierte.
Leider sind nur noch wenige historische Dokumente zu diesem Standort vorhanden, so dass sich sehr viele Mythen darum entwickelt haben. Das liegt auch daran, dass die sowjetische Armee im Jahr 1947 die ganze Anlage sprengte. Einige Gebäudekomplexe waren allerdings so massiv gebaut, dass sie der Zerstörung in Teilen Stand hielten.
In der DDR wurden die Überreste, da sie so nahe an Schleswig-Holstein lagen, in den Grenzstreifen zur Bundespublik integriert. Allerdings ließen sich viele, die die Mauer überwinden wollten, davon nicht abschrecken. Pötenitz war einer der Hauptfluchtrouten der sogenannten „Republikflüchtlinge“.
Kaum beachtet brach Wasser in die Ruinen ein und abgeschirmt von der Öffentlichkeit, entwickelte sich hier ein ganz besonderer Biotop.
Heute gehört die Fläche zum Nationalen Naturerbe "Küstenlandschaft zwischen Priwall und Barendorf mit Harkenbäkniederung". Die Unruhe, die diese Bezeichnung ausstrahlt, beruht auf der Tatsache, dass sich diese Naturerbefläche aus verschiedensten Bestandteilen zusammensetzt: Z. B. den Ruinen des Geheimprojekts, einem See, einem Tunneltal oder Mooren.
Die Geschichte des Naturschutzes ist hier noch kaum erforscht, aber offensichtlich beginnt sie mit der Unterschutzstellung des Deipsees in der Zeit des Nationalsozialismus.
Es stellen sich auf dieser Fläche sehr viele Fragen. Zum Beispiel: Wie weit hat der nationalsozialistische Naturschutz mit der Hermann Görings Luftwaffe zusammengearbeitet? Immerhin war dieser auch der oberste Naturschützer des „Dritten Reiches“. Was unterscheidet den heutigen demokratischen Naturschutz vor Ort von dem zwischen 1933 und 1945?
Hier können Sie die Geschichte des Naturerbes Pötenitz als pdf kostenfrei herunterladen.
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